Neonazis vertreten Neonazis – Die Anwälte im Ballstädt Verfahren, eine Übersicht

Nicht nur die Angeklagten im Ballstädt-Prozess vor dem Landgericht Erfurt haben eine lange Geschichte in der extrem rechten Szene, auch die Mehrheit ihrer Verteidigerinnen und Verteidiger gehört zu den bei Neonazis beliebten „Szene-Anwälten“ oder ist selbst in der extremen Rechten aktiv.


Rechtsanwalt Olaf Klemke

Rechtsanwalt Olaf Klemke, der auch den mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben im NSU-Prozess vertritt

Rechtsanwalt Olaf Klemke, der auch den mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben im NSU-Prozess vertritt

So ist es auch bei den Wortführern der Verteidigung beim Verhandlungsauftakt, Olaf Klemke und Dirk Waldschmidt, die sich durch Befangenheitsanträge gegen den Richter und die Strafkammer hervortaten. Der 1964 geborene Klemke aus Cottbus befürchtet bei der Vertretung des Neonazis Matthias Pommer im Prozess in zeitliche Schwierigkeiten zu kommen. Denn er ist ebenfalls der Anwalt von Ralf Wohlleben, der sich momentan vor dem OLG München im NSU Prozess verantworten muss.

In der Öffentlichkeit rühmt sich Klemke damit, „schon eine Reihe solcher Verfahren gemacht“ zu haben – er meint damit beispielsweise die rechtliche Vertretung in Verfahren gegen die „Skinheads Sächsische Schweiz“, gegen die Angeklagten im „Blood & Honour Division Deutschland“ Fortführungsverfahren bis 2011 oder die Täter im Gubener Hetzjagd-Prozess. Klemke wird in der extrem rechten Szene geschätzt und fühlt sich dort offenbar auch wohl.

Rechtsanwalt Maik Bunzel

Rechtsanwalt Maik Bunzel, früher Frontmann der Neonazi-Band "Hassgesang"

Bunzel, früher Frontmann der Band „Hassgesang“

Als seinen Vertreter an Prozesstagen in Erfurt, an denen Klemke nicht teilnehmen kann, schlug er den früheren Frontmann der Brandenburger Rechtsrock-Band „Hassgesang“, Maik Bunzel, vor, der sich rühmte, von Veteranen der Waffen SS geschult worden zu sein. Auch Bunzel ist mittlerweile in Cottbus als Anwalt tätig, nach dem er im Herbst 2014 als Richter am Amtsgericht im bayrischen Lichtenfels aufflog und einen Skandal auslöste. Sein Referendariat absolvierte er in der Kanzlei von NPD-Mitglied Wolfram Nahrath. Bei einem illegalen Neonazi-Konzert am 27. März 2004 im thüringischen Porstendorf (Saale-Holzland-Kreis) soll u.a. die Band Blutstahl aufgetreten sein, die ein Jahr später gemeinsam mit der Band „SKD“ um Thomas Wagner auf einem „Blood & Honour“ Konzert auftrat, in deren Folge die CD „SKD Blutstahl Live- Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt“ produziert wurde. Beim Konzert in Porstendorf waren nicht nur der inzwischen Angeklagte im Ballstädt Prozess, Ricky Nixdorf sowie der Ballstädt Unterstützer Steffen Richter aus Saalfeld als Konzertteilnehmer anwesend, sondern auch Maik Bunzel aus Cottbus.

Rechtsanwalt Dirk Waldschmidt

Rechtsanwalt Waldschmidt bei einer Veranstaltung der Neonazi-Partei "Der III. Weg"

Rechtsanwalt Waldschmidt bei einer Veranstaltung der Neonazi-Partei „Der III. Weg“

Dirk Waldschmidt aus dem hessischen Lahn-Dill-Kreis vertritt nicht nur extrem rechte Klientel, der 1965 geborene Anwalt ist selbst ein gefestigter Neonazi, war stellvertretender Vorsitzender der hessischen NPD und leitete zeitweise die Rechtsabteilung des Landesverbandes. Drei Mal trat Waldschmidt bei Wahlen für Bürgermeister- oder Landratsämter an, im Januar 2008 kandidierte er als NPD-Kandidat bei der hessischen Landtagswahl. Neben Verfahren für die Partei verteidigte er auch NPD-Funktionäre wie Marcel Wöll wegen Volksverhetzung und Doris Zutt. Aber auch Neonazis aus der militanten Kameradschaftsszene gehören zu Waldschmidts Mandanten, so z.B. der langjährige Naziaktivist Kevin Schnippkoweit, der 2008 ein Zeltlager der Linksparteijugend überfiel und auf ein 13 jähriges Mädchen mit einem Klappspaten einprügelte. Zwei Jahre später verteidigte der Anwalt Francesco Marcotrigiano, der mit 3 weiteren Neonazis einen Brandanschlag auf das Haus eines Pastoralreferenten in Wetzlar verübte, der sich regelmäßig gegen die umtriebige Naziszene aussprach. Beim NSU-Prozess in München vertritt Waldschmidt Andre Kapke und auch beim Prozess gegen die Neonazis des „Aktionsbüro Mittelrhein“ ist er Verteidiger. Außerdem sprach er als Referent auf einer Veranstaltung der militanten Kleinstpartei „Der III. Weg“ im Westerwald. Im Ballstädt-Verfahren verteidigt er den ehemaligen Gitarristen der Band SKD, Christian Herrmann.

Rechtsanwalt Andreas Junge

Auch für den Käufer des „Gelben Hauses“ in Ballstädt, Andre Keller, ist mit Andreas Junge aus Berlin ein einschlägig bekannter Szene-Anwalt tätig, der u.a. im NSU-Prozess in München Wolfram Nahrath als Verteidiger für Ralf Wohlleben vertrat. Andreas Junge verteidigte außerdem den NPD-Funktionär Frank Schwerdt 2006, der damals gemeinsam mit Udo Voigt und anderen Funktionären wegen eines rassistischen NPD-WM-Planers vor dem Amtsgericht Berlin Tiergarten angeklagt war. Schwerdt war damals nicht nur Mitglied im NPD Bundesvorstand, sondern auch Landesvorsitzender der Thüringer NPD. Als Patrick Wieschke 2005 in Untersuchungshaft kam, weil er ein Mitglied der „Kameradschaft Eisenach“ verprügelte, das sich weigerte Flugblätter zu verteilten, wurde Wieschke von Rechtsanwalt Junge und einem weiteren Verteidiger vertreten. Junge befand sich 2012 in einer Kanzleikooperation mit Rechtsanwalt Alexander Lindner aus Zwickau, der im Ballstädt Verfahren den Angeklagten Stefan Fahrenbach vertritt und dem ebenfalls persönlichen Sympathien zur extremen Rechten nachgesagt werden.

Rechtsanwalt Wolfram Nahrath

Rechtsanwalt Nahrath aus Berlin

Rechtsanwalt Nahrath aus Berlin

Der 1962 geborene Nahrath aus Berlin wiederum vertritt im Ballstädt-Verfahren den Neonazi Marcus Rußwurm. Nahrath war bis zu ihrem Verbot 1994 Vorsitzender der Wiking-Jugend und danach für die Heimattreue Deutsche Jugend tätig sowie Mitglied der NPD. In der NPD wurde er im Jahr 2000 zum Vorsitzenden des Bundesschiedsgerichts gewählt, zwei Jahre später sprach er bei einer „Reichsgründungsfeier“ der Brandenburger NPD. Nahrath dürfte auch Klemke kennen, beide waren im Jahr 2000 an dem Prozess in Cottbus gegen Neonazis beteiligt, die wegen der Hetzjagd in Guben angeklagt waren. 2011 trat er als Redner beim Neonazi-Aufmarsch zum „Antikriegstag“ in Dortmund auf. Erst im Februar 2015 übernahm der Berliner Anwalt die Verteidigung der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Sylvia Stolz.

Rechtsanwalt Alexander Held

Den Neonazi Tony Steinau aus Bad Langensalza vertritt im Ballstädt-Prozess Alexander Held aus Schmalkalden. Er kennt Kellers Anwalt Junge schon von der rechtlichen Vertretung von Neonazis im Frühjahr 2015 in Berlin. Held selbst vertrat unter anderem schon 2010 einen Neonazi vom „Freien Netz Geithain“, bei dessen Attacke auf einen 15-jährigen der Schädelknochen des Opfers zertrümmert wurde. Nur mit etwas Glück drangen die Knochenteile nicht ins Gehirn ein. Held ist mit mehreren Angeklagten im Ballstädt-Prozess über Facebook befreundet. Zusammen mit Rechtsanwalt Junge vertritt er derzeit auch im Erfurter Landgericht Angeklagte in einem Rocker Prozess. Er vertritt auch am Amtsgericht Nordhausen den ehemaligen NPD-Funktionär und inzwischen aktiven Rocker Roy Elbert wegen eines Körperverletzungsdelikts.

Rechtsanwalt Hendrik Lippold

Rechtsanwalt Hendrik Lippold

Rechtsanwalt Hendrik Lippold

Der angeklagte Haupttäter Thomas Wagner wird vom Haus- und Hofanwalt des „Gelben Hauses“ in Ballstädt, Hendrik Lippold aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt verteidigt, der Wagner bereits vor 10 Jahren vertrat. Lippold kümmerte sich rechtlich auch schon um Steffen Richter vom mittlerweile aufgelösten „Freien Netz Saalfeld“ und Maximilian Lemke, den ehemaligen Eigentümer des „Braunen Hauses“ in Jena. Auch André Kapke zählte zu seinen Mandanten, als 2011 die restlichen Mitglieder der „Kameradschaft Jena“ nach der Selbstenttarnung des NSU in Haft genommen wurden. Lippold hat seit Jahren Erfahrungen mit Neonazi-Immobilien und kümmerte sich auch um Rechtsstreitigkeiten beim ehemaligen „Schützenhaus Pößneck“ im Auftrag der „Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation“. Ralf Wohlleben, der noch immer wegen dem NSU-Prozess in Untersuchungshaft sitzt, war vor einigen Jahren bereits Mandat bei Lippold, weil er mit 40 Neonazis eine Veranstaltung zur „Heimattreuen Deutschen“ Jugend mit der Journalistin Andrea Röpke in Arnstadt störte und sich wegen Hausfriedensbruch verantworten musste.

Rechtsanwalt Ralf Schwarz

Rechtsanwalt Schwarz aus Gera

Rechtsanwalt Schwarz aus Gera

Aus Gera stammt der Anwalt des Neonazis Rocco Boitz, Ralf Schwarz. Auch er hat bereits Routine im Umgang mit seiner Klientel aus der extrem rechten Szene. Wie Waldschmidt wirkt er als Verteidiger im Prozess gegen das „Aktionsbüro Mittelrhein“ in Koblenz mit. Doch Schwarz vertritt Neonazis nicht erst seit gestern – bereits vor mehr als zehn Jahren war er der Verteidiger eines Neonazis und Ex-Söldners, der wegen des Dreifachmordes verurteilt worden war. Er hatte einen Rechtsanwalt, dessen Ehefrau und Tochter mit Schüssen aus einer Pump-Gun ermordet und vor Gericht erklärt, seine Opfer hätten auf einer Todesliste gestanden, die er im Namen der SS-Division Götterdämmerung „exekutiert“ habe. Schwarz vertrat bereits vor 13 Jahren Neonazis aus dem „Thüringer Heimatschutz“, wie Ronny Artmann von der Sektion Jena, als dieser 2002 in Untersuchungshaft saß, weil er mit anderen in der Rotlicht-Szene aktiven Neonazis aus dem Saalfelder Raum illegal Autos nach Litauen schmuggelte.

Rechtsanwalt Steffen Kalauch
Auch der Berliner Verteidiger des Neonazis Ricky Nixdorf ist kein unbeschriebenes Blatt. Vor dem Amtsgericht Prenzlau hatte Steffen Kalauch bereits vor vier Jahren mit seinem Kollegen Nahrath gemeinsam Neonazis in einem Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung vertreten.

Über die übrigen Verteidiger sind bisher noch keine Verbindungen zur Neonazi-Szene bekannt, bei ihnen bleibt es abzuwarten, ob sie sich mit den im Ballstädt-Verfahren aktiven Anwälten der extremen Rechten gemeinmachen.