NPD-Konkurrenzpartei „Der III. Weg“ rückt in Thüringen weiter vor – 1. Stützpunktgründung im Raum Saalfeld/Pößneck

Wie erwartet breitet sich die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ weiter nach Thüringen aus. Einen Monat nach der Demonstration in Saalfeld fand am 30. Mai 2015 die erste Stützpunktgründung und ein Zeltlager in der Region Saalfeld/Pößneck statt.

Aktivitäten seit Herbst 2013 in Thüringen

Bundesparteitag "Der III. Weg" am 27. September 2014 in Kirchheim / Thüringen

Bundesparteitag „Der III. Weg“ am 27. September 2014 in Kirchheim / Thüringen

Seit über anderthalb Jahren steckt die Partei „Der III. Weg“ ihre Fühler nach Thüringen aus. Wenige Wochen nach der Parteigründung im September 2013 demonstrierten am 23. November während den rassistischen Wochenmärschen von David Köckert und seiner Greizer „Bürgerinitiative“ rund 200 Neonazis durch Greiz, darunter auch Angehörige der Partei „Der III. Weg“ mit einem eigenen Transparent. Auch Tony Gentsch der seit Jahren enge Verbindungen nach Ostthüringen pflegt, trat als Redner und „Vertreter der neuen Parteialternative Der III. Weg“ auf. Ein halbes Jahr später nahmen an der Demonstration vom „III. Weg“ im sächsischen Plauen über 600 Neonazis teil, darunter auch zahlreiche Thüringer Neonazi-Kader. Darunter neben NPD-Funktionären wie Daniel Madalschek oder Franz Kotzott auch der Gewalttäter Michel Fischer aus Tannroda. Fischer führte dabei den Block der „Weissen Wölfe Terrorcrew“ aus Thüringen an. Nach Parteiangaben fand Ende August 2014 eine Vortragsveranstaltung vom „III. Weg“ in Saalfeld bzw. in Bad Blankenburg statt, bei dem „auch Aktivisten aus dem Saale-Holzland-Kreis anwesend waren“. Im Vordergrund hätten dabei auch die „Freizeitgestaltung maßgeblich für junge Nationalgesinnte“ sowie die „Wiedergeburt des Nationalen Widerstandes“ gestanden. Letzter befinde sich „durch diverse Fehlentwicklungen der letzten Jahre in einer tiefen Krise“, hieß es nach dem Treffen knapp zwei Wochen bevor die von Skandalen geplagte Thüringer NPD unter Führung von Patrick Wieschke bei der Landtagswahl scheiterte. Am 27. September 2014 folgte der erste Bundesparteitag, welchen die Partei ebenso in Thüringen ausrichtete. In der Kirchheimer Erlebnisscheine traten neben dem Parteivorsitzenden Klaus Armstroff und dem Führungskader vom inzwischen verbotenen „FN Süd“, Matthias Fischer, auch der Thüringer Liedermacher Torsten Hering („Torstein“) auf. Ende Oktober fand in Kahla ein weiterer Vortrag vom „III. Weg“ statt, bei dem vier Liedermacher mit Gitarre, Akkordeon und Violine aufgetreten sind. Wahrscheinlich handelte es sich bei Zweien davon um Neonazis aus dem Umfeld des „Freien Netz Kahla / Jena“. Am letzten Novemberwochenende soll laut einer Mitteilung der Partei eine weitere Veranstaltung stattgefunden haben, im Titel der Mitteilung war von „Nordthüringen“ die Rede, im Text vom „Großraum Erfurt“, etwa zur selben Zeit wurden auch in Greiz Flugblätter mit Hetze gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte verteilt. Verantwortlich zeichnete der „III.Weg“-Stützpunkt Hochfranken/Vogtland. Dessen Stützpunktleiter, Rico Döhler meldete im Dezember 2014 gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden Klaus Armstroff die Demonstration für den 1. Mai 2015 in Saalfeld an.

Auf den Spuren der NSDAP

Demonstration vom "III. Weg" am 1. Mai in Saalfeld, Foto: Recherche Nord

Demonstration vom „III. Weg“ am 1. Mai in Saalfeld, Foto: Recherche Nord

Am 10. Januar 2015 organisierte der „III. Weg“-Stützpunkt Hochfranken/Vogtland eine Veranstaltung in Greiz, bei der Döhler und Gentsch wieder als Redner auftraten. Vorgestellt wurde auch das 10-Punkte-Programm vom „III. Weg“, das an das 25-Punkte-Programm der NSDAP anknüpft. Inhaltlich steht die neue Kleinpartei, die sich vor allem aus der militanten Neonazi-Szene rekrutiert, in der Tradition des Nationalsozialismus. Sie fordert die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“, die „Erhaltung […] der biologischen Substanz des Volkes“ und die „die Pflicht zur Arbeit“. Im Februar trat ein Mitglied des Neonazi-Bündnisses „Thüringer Heldengedenken“, Michael Zeise aus dem Weimarer Land, beim jährlichen Trauermarsch in Weimar gekleidet mit einer Wollmütze des „III. Weg“ als Redner auf. Im März intensivierte die Partei ihre Mobilisierung für den Aufmarsch in Saalfeld: zunächst wurden Flyer dafür auch bei den rassistischen Veranstaltungen der Neonazi-Szene in Ohrdruf und am 23. März 2015 zur ersten Thügida-Demo verteilt. In den Folgewochen fanden Verteilaktionen ebenso in Gera, im Saale-Holzland-Kreis, im Ilmkreis, in Weimar und Jena sowie im Raum Sonneberg und Saalfeld statt, außerdem wurde in sozialen Netzwerken geworben. Am 18. April 2015 marschierte außerdem ein eigener Block des „III. Weg“ beim Neonazi-Aufmarsch in Gotha mit, bei der erneut das Duo Döhler/Gentsch als Redner auftrat. Auf dem Weg zur Demonstration veranstaltete die Gruppe aus dem Vogtland auch einen Infostand in Greiz und eine Kundgebung in Kahla.

Michel Fischer (links am Transparent, Glatze, Sonnenbrille) am 1. Mai in Saalfeld

Michel Fischer (2. v. links am Transparent, Glatze, Sonnenbrille) am 1. Mai in Saalfeld

Zum 1. Mai 2015 reisten etwa 600-700 Neonazis zur Demonstration nach Saalfeld, darunter auch Gruppen aus dem Ausland. Die Demonstration eskalierte, bereits bei der Anreise kam es zu Gewaltexzessen. Trotz der Proteste und dem Vorgehen der Polizei gegen den Neonazi-Aufmarsch, darunter auch der Einsatz eines Tränengas-Geschosses, werteten die Neonazis den Aufmarsch als Erfolg. „Mit entschlossenem und revolutionärem Handeln erkämpfte sich der Nationale Widerstand die Straße Saalfelds“, heißt es in einer Mitteilung der Partei, zahlreiche Menschen wurden an diesem Tag durch die Neonazis und ihren „Straßenkampf“ verletzt. Im Aufzug befand sich auch ein selbsternannter „antikapitalistischer Block“, angeführt vom Freien Netz Hessen und Michel Fischer aus Tannroda. Fischer marschierte bereits im Februar 2014 im tschechischen Karlsbad gemeinsam mit Mitgliedern vom „III. Weg“ am 1. Mai des gleichen Jahres in Plauen und im August im bayrischen Deggendorf. Nach dem 1. Mai gab es weitere Flyer-Aktionen vom „III.Weg“ in Jena, die vom „Freien Netz Jena“ um Nico Metze durchgeführt wurden. Die wenigen verbliebenen Mitglieder kalkulieren seit geraumer Zeit mit einem Verbot ihrer Gruppe und sind einer Ersatzorganisation mit Parteienprivileg jenseits der NPD erwartungsgemäß aufgeschlossen. Der „III. Weg“ ist schließlich auch nur eine Konstruktion, welche vor dem Verbot des „Freien Netz Süd“ aus dem Boden gestampft wurde um weiter handlungsfähig zu bleiben.

Auflösung „FN Saalfeld“ –  Neuer „III. Weg“-Stützpunkt „Thüringer Wald/Ost“ mit Frau an der Spitze

Stützpunktgründung "III.Weg" Thüringer Wald/Ost, am Pult: Tony Gentsch

Stützpunktgründung „III.Weg“ Thüringer Wald/Ost, am Pult: Tony Gentsch

Zeltlager beim Gründungstreffen, ca. 20 Personen

Zeltlager beim Gründungstreffen, ca. 20 Personen

Am 30. Mai 2015 fand schließlich im Thüringer Wald das erwartete erste Gründungstreffen eines Thüringer Parteistützpunktes mit dem Namen „Thüringer Wald-Ost“ statt. Er umfasse die Gebiete Saalfeld, Rudolstadt, Bad Blankenburg und Pößneck. Am Tag zuvor seien laut einer Parteimitteilung bereits fünf Familien aus dem Umfeld der Partei angereist, welche auch ein Fußballspiel vor der Parteigründung vorbereitet und ein Zeltlager aufgebaut hätten. Nach Eigenangaben waren dabei „vier Mannschaften aus dem Saalfelder Umland,“ Kahla, aus der unmittelbaren Umgebung und des zukünftigen Stützpunktes Thüringer Wald/Ost“ beteiligt.

Steffen Richter beim Aufmarsch vom "III.Weg" in Saalfeld  (Foto: Recherche Nord)

Steffen Richter („FN Saalfeld“) beim Aufmarsch vom „III.Weg“ in Saalfeld, Foto: Recherche Nord

Anschließend habe ein Redner des „Thüringer Heldengedenkens“ sowie auch Tony Gentsch gesprochen, welcher bei einem Rückblick auf den Aufmarsch in Saalfeld unterstrich, „dass die Notwendigkeit sich hier und jetzt dem politischen Aktivismus hinzuwenden unausweichlich ist“. Wie dieser Aktivismus beim „III. Weg“ aussieht, ließ sich in den letzten Monaten immer wieder bei der Hetze gegen Flüchtlinge und deren Unterbringungen, bei Gewalttaten und extrem rechten Kulturveranstaltungen sowie NS-Verherrlichung beobachten. Anders als die NPD wolle man „keine Karteileichen, sondern engagierte Aktivisten, die sich ihrer Aufgabe bewusst sind“, so Gentsch. Der Stützpunkt „Thüringer Wald-Ost“ ist nach weiteren Gründungen zuletzt in Halle/Leipzig und Berlin der fünfzehnte regionale Ableger und wird von einer Neonazi-Aktivistin geleitet. Ein Grund für die Ausbreitung der Aktivitäten dürfte auch der Umzug des Partei-Funktionärs Tony Gentsch in eine Neonazi-WG nach Plauen sein.

Mareike Bielefeld ("Free Gender" / "FN Saalfeld")

Mareike Bielefeld („Free Gender“ / „FN Saalfeld“)

Beim Treffen auf dem Rennsteig hieß es nun, man habe sich gegenseitig „eine enge Zusammenarbeit zwischen den Stützpunkten versichert“. Bei der Gründungsveranstaltung trat ebenso der Liedermacher „Freilich Frei“ auf. Am 11. März 2015 veröffentlichte das „Freie Netz Saalfeld“ bereits seine Auflösungserklärung nach fünfjährigen Bestehen. Unter den angeführten Gründen neben Desinteresse und lokalen Rivalitäten hieß es auch: „Dieser Landkreis ist ein regelrechter Hort von V-Männern des Verfassungsschutzes. Einige sind schon aufgeflogen, andere sind noch verborgen. Der Umstand, dass jedoch noch weite Teile der Szene zu diesen Gestalten stehen, zu dessen Feiern gehen und auch sonst noch Kontakt halten, ist mehr als erbärmlich und zeigt deutlich auf, dass mit solchen Leute keine Zusammenarbeit möglich ist“. Außerdem stand in der Erklärung, das Freie Netz Saalfeld habe versucht „die nationalen Kräfte vor Ort zu bündeln, politisch zu schulen und Aktionen durchzuführen. Letztendlich sind wir mit unseren Vorhaben gescheitert.“

Susann Funke (FN Saalfeld)

Susann Funke („FN Saalfeld“)

Man habe die extrem rechten Kameraden „eventuell in ihren geistigen Fähigkeiten überschätzt“. Die Verantwortlichen räumten aber ein, in einer neuen Organisationsform wieder zu kommen: „… natürlich wissen wir schon wie es weiter gehen wird. Aber die Neustrukturierung erfordert es, dass wir jetzt noch nichts weiter an die Öffentlichkeit tragen wollen.“ Zum „Freien Netz Saalfeld“ gehörten neben Steffen Richter und anderen Männern auch verschiedene Frauen, wie Mareike Bielefeld, welche das „Free Gender“ Projekt initiierte oder Susann Funke.

Marcel Funke (FN Saalfeld), auf dem Weg zum JN-Europakongress am 22. März 2014

Marcel Funke (FN Saalfeld) beim JN-Europakongress am 22. März 2014 in Kirchheim

Vor der Auflösung war die Gruppe zuletzt maßgeblich am Bündnis „Thüringer Heldengedenken“ beteiligt, welches den geschichtsrevisionistischen Fackelmarsch in Gotha am 16. November 2014 organisierte. Susann Funke marschierte in der 1. Reihe und trug den Ehrenkranz. Neben anderen Ordnern aus Saalfeld und Gotha war ihr Bruder Marcel Funke, ebenfalls „FN Saalfeld“ und zeitweise NPD-Kreisvorstandsmitglied, zusammen mit Anne Kathrin Schmidt (Freie Kräfte Gotha) als zentraler Ordner eingesetzt. Auch Steffen Richter übernahm dort Leitungsfunktionen und wies die Teilnehmenden ein. Derzeit laufen verschiedene Verfahren gegen ihn, welche sich auch im Bereich der Organisierten Kriminalität bewegen, darunter der Handel mit  einer Ceska-Pistole. Das „FN Saalfeld“ war bzw. ist auch im Internet sowie in sozialen Medien aktiv, anders jedoch als vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz behauptet, beschränkten sich die Aktivitäten nicht nur auf das Netz. Die Mitglieder organisierten verschiedenfach Musikveranstaltungen und Spendenaktionen, insbesondere für den mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben. Auch gab es Flugblatt-Aktionen, Sachbeschädigungen und andere Gewalttaten sowie lokale Versammlungen wie zum Heldengedenken vor Ort. Insbesondere waren Mitglieder jedoch vielfach logistisch und organisatorisch auch außerhalb der Region aktiv, zum Beispiel bei zahlreichen Konzerten in Kirchheim oder beim Thüringentag der nationalen Jugend 2013 in Kahla. Nach Angaben vom „III. Weg“ sollen beim Gründungstreffen für den Stützpunkt „Thüringer Wald/Ost“ am 30. Mai etwa 40 Personen teilgenommen haben, die vorliegenden Fotos deuten jedoch daraufhin, dass die Partei allenfalls halb so viel Interessenten dafür anlocken konnte. Nichtsdestotrotz ist eine Zunahme neonazistischer Aktivitäten im Einzugsgebiet des neuen Stützpunktes in Zukunft nicht unwahrscheinlich. Ob die Neonazis diesmal ihre „geistigen Fähigkeiten“ selbst für ausreichend erachten bleibt abzuwarten.