Björn Höcke, der „intellektuelle“ Einpeitscher der AfD

Während auf Bundesebene noch der Machtkampf in der AfD tobt, gehört der Thüringer Landesverband zu den drei Verbänden, die mit ihren Wahlerfolgen und Landtagseinzügen längst einen weiteren Rechtsruck der Partei forciert haben. Im Zentrum des Thüringer Verbandes steht sein Sprecher und der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Björn Höcke.

Björn Höcke, AfD-Fraktionschef (Bild geklaut bei daserste.de)

Björn Höcke, AfD-Fraktionschef (Bild geklaut bei daserste.de)

Seit dem Rücktritt des bis dahin amtierenden Vorstandes im Juni 2014 hält er das Heft in der Hand, die teils heftig geführten Auseinandersetzung um den ehemaligen Vorsitzenden Matthias Wohlfahrt („völkischer Missionar“), nennt er „Klärung von gruppendynamischen Prozessen“. Zwar bemüht der Oberstudienrat in Interviews gern den Philosophen Hegel, im Landtag glänzte er mit Zwischenrufen wie „Halten Sie doch mal Ihre Klappe“ oder „Ja, gehen sie zu einem guten Therapeuten“ mit einem ruppigen Politikstil. Seine rechten Äußerungen und seine Nähe zum extrem rechten Spektrum werden in der Öffentlichkeit jedoch weit weniger bemerkt, obwohl es selbst aus wissenschaftlichen Kreisen heißt: „Deswegen ist die AfD, insbesondere was man von ihrem Vorsitzenden Björn Höcke so hört, für die politische Kultur in Thüringen derzeit bedrohlicher als die 34.000 NPD-Wähler“. Im Wahlkampf zur Landtagswahl 2014 tat sich Höcke vor allem durch islamfeindliche Positionen und der Forderung, Deutsche sollten „den Wert ihrer Hochkultur“ wiederentdecken, hervor. Sein Auftrag sei eine „historische Mission (…) die Rückeroberung der Meinungsfreiheit“, erklärte der Oberstudienrat und schwafelte von einer „informellen Einschränkung der Meinungsfreiheit“. Die AfD bezeichnete er als „werteorientierte und identitäre Kraft“ und allein schon der fast Mantra-hafte Gebrauch des Wortes „Identität“ erinnert an extrem rechte Ideologie. Kein falscher Eindruck, wie Höcke dem Fernseh-Magazin Monitor in einem Interview bestätigt. Dort verharmlost er die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ als „europäische Vernetzung“ von jungen Menschen, „die sich Sorgen machen um die Entwicklung Europas, die sich Sorgen machen um eine unkontrollierte Einwanderung und die hierfür auch pragmatische Lösungen wollen und dann auch den Diskurs über diese Thematik ohne Tabus, ideologiefrei, sachlich und mit offenem Ausgang führen wollen“. Verharmlosend ist auch Höckes Ausspruch: „Ich meine, dass es in einer freien Gesellschaft möglich sein muss, auch über das Dritte Reich unorthodoxe Meinungen zu äußern“. Er passt zu Informationen, die in der Gesamtschule in Bad Sooden Allendorf kolportiert werden. Dort arbeitete Höcke zuletzt als Geschichtslehrer und habe beim Thema Nationalsozialismus Dinge angesprochen, die den Schülern sonst nicht mitgeteilt worden seien. „Unorthodoxe Meinungen“ gehörten immer schon zum Repertoire des militanten Neonazis und NPD-Landesvorstandsmitgliedes Thorsten Heise – mit ihm hat Höcke kein Problem, ins Gespräch zu kommen, „auch über Politik“, wie der AfD’ler freimütig bekennt. Themen der NPD gehören ohnehin zu Höckes Kanon wie etwa seine Äußerung Moscheen seien ein „Symbol der Landnahme“. Mit dem als Feindbild genutzten Symbol der Moschee übernimmt er ein Thema, das bislang nur bei der NPD und Pro-Parteien beheimatet war. Auch die von Höcke vor der Landtagswahl geforderte „Aussetzung des Schengener Abkommens“ und „Einschränkung des Asylrechts“ waren bisher eher im Forderungskatalog extrem rechter Parteien wie der NPD zu finden. Dazu gehören ebenfalls die von Höcke verwendeten Schlagworte „überhandnehmende Einwanderung in unsere Sozialsysteme“, „Auflösung der Keimzelle unseres Volkes“ und die Verächtlichmachung von Gender Mainstreaming als „Sonntagskind der Dekadenz“. Aus Höckes politischer Nähe zu einem solchen Gedankengut ist schon längst eine Verstrickung geworden, wenn er gezielt in rechten und extrem rechten Medien publiziert und sich dort interviewen lässt. Aus einem von dem führenden Aktivisten der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, geführten Gespräch im rechten Blatt „Szession“ ist zu entnehmen, dass Höcke offenbar schon länger diesen Kreisen angehört. Dort heißt es, zur AfD gehörten „Leute, die wir im Verlauf unserer langjährigen Verlagsarbeit, im Wandervogel, beim Militär oder auf einer der mittlerweile zahllosen Veranstaltungen des Instituts für Staatspolitik (IfS) kennengelernt haben und von denen wir eines nicht erwartet hätten: parteipolitisches Engagement“. Dazu wird auch der im Interview freundlich geduzte Höcke gezählt, Kubitschek fügt hinzu „Björn, wir kennen uns nicht erst seit gestern“.

Plakate von Höcke zur Landtagswahl 2014

Plakate von Höcke zur Landtagswahl 2014

Doch nicht nur in neurechten Kreisen ist Höcke ein beliebter Gesprächspartner, gerne lässt er sich auch im extrem rechten Blatt „Zuerst!“ interviewen, das aus der für die Szene wichtigsten neonazistischen Zeitschrift „Nation und Europa“ hervorgegangen ist. Die „Zuerst!“ lobt die AfD-Wahlsiege als „Stärkung volksnaher Kräfte“, Höcke hetzt in derselben Ausgabe gegen angebliche „Wirtschaftsflüchtlinge“. In seinem zweiten Interview bedient er den kulturellen Rassismus, spricht von „einem unsäglichen Mißbrauch“ des Asylrechts, halluziniert eine „ungebremste Masseneinwanderung“ herbei und fordert „Flüchtlingslager“ in Nordafrika, wo Anträge für Asyl in anderen Ländern gestellt werden sollen.  Bei alldem wundert es nicht, wenn Höcke und die AfD im Januar 2015 mit einem Kranz zum Holocaust-Gedenktag in der Gedenkstätte Buchenwald die Opfer der Shoa und des Stalinismus gleichsetzen wollen und damit den Holocaust relativieren. Einen ähnlichen Hintergrund ließ die AfD-Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal erkennen, als sie ausgerechnet zum Jahrestag der NS-Pogrome am 9. November 2014 zusammen mit ihrer Fraktionskollegin Corinna Herold und mit eine Fackeln an einer Zusammenkunft gegen eine rot-rot-grüne Regierung unter dem Motto “Wir sind das Volk” auf dem Erfurter Domplatz teilnahm. Der Büroleiter von Herold, Heiko Bernardy, gleichzeitig auch Vorsitzender vom AfD Verband „Südthüringen“, nahm am 26.1.2015 in Suhl als Redner bei dem von Neonazis organisierten „Sügida“-Aufmarsch teil und griff ebenfalls die Kernthesen der AfD auf, als er vor einer „Ausrottung des deutschen Volkes“ und „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ wegen Flüchtlingen warnte. Herold entließ ihren Mitarbeiter daraufhin. Bei der ersten Plenarwoche des Thüringer Landtages im Jahr 2015 bezeichnete Björn Höcke Protestierende, welche eine AfD Veranstaltung mit dem für fremdenfeindliche Äußerungen bekannten Alexander Gauland verhinderten, als „Grundrechteschänder“ und sprach von einem Staatskandal in Thüringen. Die NS-Diktatur von 1933 bis 1945 nennt Höcke übrigens gerne kryptisch „die 12 Jahre“. Auch Neonazis bezeichnen damit gerne das 3. Reich, zum Beispiel die Apoldaer Neonazi-Band „12 Years“, welche am 7. Februar 2015 wieder bei einem Konzert in Thüringen auftreten wird.