Südthüringen: Tommy Frenck baut Infrastruktur für Neonazi-Szene weiter aus

In Südthüringen haben sich neonazistische Vertriebsstrukturen niedergelassen und in den letzten Monaten fanden diverse Musikveranstaltungen statt. Seit über einem Jahr sucht Tommy Frenck, Kreistagsmitglied und Kopf vom „Bündnis-Zukunft-Hildburghausen“ (BZH), energisch nach einer festen Immobilie für Treffen und Veranstaltungen. Jetzt hat er für 80.000 Euro ein Gebäude gekauft gekauft, 15 Minuten von Hildburghausen entfernt und auch in Suhl vergrößert sich das Angebot.

Im Kampf gegen das Vorkaufsrecht

Tommy Frenck an einem älteren Maschinen-Gewehr

Tommy Frenck an einem älteren Maschinen-Gewehr

„Wie findet ihr dieses Objekt? Liegt direkt in Schleusingen auf dem Markt“ fragte Tommy Frenck am 20. Februar 2014 seine Facebook-Freunde. Darunter ein Immobilieninserat für ein 180.000 Euro teures Gebäude in der Schleusinger Innenstadt. „Im unteren Teil könnte man ein schickes Lokal integrieren“, schlug Frenck vor. Solche und ähnliche Ankündigungen waren im letzten Jahr immer wieder im Umfeld des BZH vernehmen. Allerdings vermischte sich dabei ernsthaftes Interesse mit gezielter Desinformation. Frenck machte keinen großen Hehl daraus, dass er es auch als Wettbewerb betrachtet, Sicherheitsbehörden und Kommunen mit angeblichen Hauskäufen zu verunsichern oder in die Irre zu führen. Er selbst schrieb dazu: „Ich werde erst ruhen wenn jede Gemeinde alle Immobilen gekauft hat (…) vielleicht bluffe ich auch nur und verdiene an jedem Hauskauf durch die Gemeinde“. Tatsächlich ist die Taktik auch als Geschäftsmodell in der Neonazi-Szene bekannt: Gerüchte über einen angeblichen Hauskauf von Neonazis können auch als letzte Rettung bei teils schwer verkaufbaren Immobilien dazu dienen, dass Kommunen aus Sorge vor der Herausbildung neonazistischer Zentren das Vorkaufsrecht ausüben und die ohnehin klammen Gemeindefinanzen dann zur vermeintlichen Gefahrenabwehr in einen Hauskauf investieren. Im Optimalfall fällt für die Neonazis dann auch eine Verkaufsprovision vom Eigentümer ab. Zuletzt hatte die Stadt Schleusingen, welche Frenck einst zu seiner „Fronststadt“ erklärte und wo er auf viel Widerstand stieß, Ende 2014 das Bahnhofsgebäude und ein großes Fachwerkhaus in Schleusingen sowie einen Hof in einem benachbarten Ort noch innerhalb einer Zwangsversteigerung erworben, als das BZH schon Interesse bekundete hatte. Tatsächlich besteht jedoch gerade im Umfeld von Frenck auch ein entsprechender Bedarf an Räumlichkeiten, beispielsweise für das Vertriebswesen, für neonazistische „Kultur-“ und Musikveranstaltungen aber auch als Wohnraum und Rückzugsort.

Kloster Veßra als weiterer Baustein der Südthüringer Neonazi-Infrastruktur

"Goldener Löwe" in Kloster Veßra (Bild geklaut beim MDR Thüringen)

„Goldener Löwe“ in Kloster Veßra (Bild geklaut beim MDR Thüringen)

Der nun durchgeführte Immobilienkauf in Kloster Veßra betrifft laut MDR die ehemalige Gaststätte „Goldener Löwe“. Insgesamt gehören der 80.000 Euro teuren Immobilie in der Schleusinger Straße über 1.500 Quadratmeter Grundstücksfläche, das für den Ort berühmte „Naturhistorische Museum“ liegt gleich nebenan. Der bisherige Eigentümer des Hauses gab an, unter gesundheitlichen Problemen zu leiden und daher verkaufen zu müssen. Der politische Hintergrund des künftigen Eigentümers sei ihm egal.  Durch den Verkauf besitzt die Neonazi-Szene in Südthüringen nun eine Immobilie mit Platz für bis zu 120 Personen und wird damit ein weiteres Stück handlungsfähiger. Frenck selbst behauptet, es würden dort „erst einmal keine Konzerte stattfinden (…) dafür werden noch andere Immobilien erworben“. Nach einer Umstrukturierung soll der Gasthof geöffnet bleiben, es sollen „mehrere Wohnungen für Familien aus dem Kreis entstehen“. Für den Saal kündigte er an, dass ein Verein diesen mieten würde, um dort „MMA, Wrestling und andere Fight-Sportarten“ trainieren. Traditionell gibt es innerhalb der Neonazi-Szene ein starkes Interesse für Kraft- und Kampfsport, welches von Frenck und seinen Kollegen innerhalb der Südthüringer Vertriebsszene auch regelmäßig durch den männlich-martialischen Körperkult in deren Katalogfotos zur Schau gestellt wird. Neben dem Schleusinger Versand „druck18.de“, den Frenck selbst betreibt, gibt es auch die Unternehmen „Pro Textil GmbH“ (Betreiber: Patrick Schröder) und „Nordic Tex“ (Betreiber: Daniel Kilian) in Oberhof bei Suhl, welche beide unter der selben Adresse ansässig sind bzw. ein Warenlager betreiben. „Nordic Tex“ war Erfinder und Ursprungsbetreiber der Modemarke und des Versandes „Ansgar Aryan“, welcher inzwischen von dem bayrischen NPD-Aktivisten Schröder übernommen wurde.

Neonazis in Suhl bei spontaner Zusammenkunft im April 2014, darunter die Südthüringer Vertriebsszene

Neonazis in Suhl bei spontaner Zusammenkunft im April 2014, darunter die Südthüringer Vertriebsszene

Dort sind auch andere Neonazis wie der Oberhofer Tobias Reinhardt oder der Schläger Marcus Russwurm aus Römhild aktiv, welche beide neben dem Neonazi Denny Schön als zentrale Model-Figuren für die Marke „Ansgar Aryan“ auftreten. Unter der selben Anschrift wie „Pro Textil GmbH“ und „Nordic Tex“ in der Gräfenrodaer Str. 2 in Oberhof betreibt auch Enrico Kohlstedt den „Streetunion“-Versand, der auf den ersten Blick eher unverdächtige Textilien verkauft. Im Angebot befindet jedoch sich auch Ware aus der Reihe „Label 23“, die in der Neonazi-Szene beliebt ist und deren Markeninhaber, ein Kampfsportler, wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Der Kickboxweltweister lief zu seinen Kämpfen auch zu den Klängen von Rechtsrcokbands wie „Blitzkrieg“ in den Ring. Versandhändler Kohlstedt gehört ebenfalls der Neonazi-Szene an. Er steht dort mit dem Unternehmen „Uniontextil GmbH“ auf dem Klingelschild und betrieb vor auch den Szene-Versand „Nordic Union“, welcher bereits aus dem rheinland-pfälzischen Bodenheim sowie aus Eisenach operierte und auch von den Thüringer Behörden als Neonazi-Versand eingestuft wurde. Inzwischen hat Patrick Schröder auch den „Nordic Union“ geschluckt und verkauft dort „Ansgar Aryan“ und „Erik & Sons“ Produkte. Kohlstedt ist weiterhin Inhaber der „Nordic Union“ Domains. Tommy Frenck, Enrico Kohlstedt, Patrick Schröder und Daniel Kilian verdienen auf die selbe Art und Weise Geld, doch sind sie weniger Konkurenten als viel mehr ein eng miteinander agierendes braunes Firmennetzwerk in Südthüringen. Auch Frenck wurde inzwischen beim Ein- und Ausgehen in den Räumlichkeiten seiner Oberhofer Kollegen beobachtet. In der Vergangenheit war er ebenso für „Ansgar Aryan“ aktiv, so bei Verkaufsständen auf Konzerten und Veranstaltungen. Diese Vertriebsstrukturen organisieren derzeit auch maßgeblich mit der Suhler Neonazi-Aktivistin Yvonne Wieland und der Mutter von Tommy Frenck, Beatrix Meißner, die wöchentlichen „Sügida“-Demonstrationen in Suhl.

Woher stammen die Gelder?

Beim Europatag der JN in Kirchheim 2014 am "Ansgar Aryan"- Stand: Marcus Russwurm, Nick Griffin, ehemaliger Vorsitzender der British National Party (BNP) und Tommy Frenck

Beim Europatag der JN in Kirchheim 2014 am „Ansgar Aryan“- Stand: Marcus Russwurm, Nick Griffin, ehemaliger Vorsitzender der British National Party (BNP) und Tommy Frenck

Inzwischen besteht das Hauptstandbein von Frenck, gelernter Koch, aus dem Unternehmen „Werbetechnik Tommy Frenck“, mit dem er den Versand „druck18.de“ betreibt. Wenig versteckt verkauft er dort Nazi-Devotionalien, Rechtsrock-CDs, Waffen wie zum Beispiel Teleskopschlagstöcke und rechte Szene-Klamotten. Dass Frenck darüber die 80.000 Euro für den Hauskauf in Kloster Veßra zusammengespart hat, scheint eher unwahrscheinlich. Bei einer durch uns im Dezember 2014 durchgeführten Testbestellung bei druck18.de erhielten wir in der automatisierten Bestätigung auch die Auskunft über eine fortlaufende Bestellnummer, welche zwischen 350 und 400 lag und in etwa der Kundenanzahl entspricht. Der Versand existiert bereits seit mindestens September 2013, wurde aber erst im Frühjahr 2014 innerhalb der Szene bekannter. Selbst wenn man die Kundenzahl nur auf das gesamte Jahr 2014 verteilt und einen sehr hoch geschätzten Durchschnittbestellpreis von 100 Euro annehmen würde, käme Frenck damit nicht mal annähernd in die Nähe der benötigten Summe. Wahrscheinlicher ist also – ähnlich wie bei anderen Immobilien der Neonazi-Szene in Thüringen – eine Finanzierung über aufgenommene Kredite oder Darlehen. Gleichwohl dürfte die Gewinnspanne hingegen bei Schröders „Ansgar Aryan“-Shop weitaus höher liegen als bei Frenck. Markengründer Daniel Kilian, der sich wegen bekannt gewordenen Drogenhandel-Verurteilungen in der Öffentlichkeit als Geschäftsführer zurückzog, aber weiterhin am Oberhofer Standort in dem Unternehmen mitmischt, wurden beispielsweise auch der Besitz von teuren Immobilien in anderen Bundesländern nachgesagt.

Neue Immobilie für Neonazis auch in Suhl

Neuer Konzertort: Aus dem Inneren Lagerhalle bei Suhl

Neuer Konzertort: Aus dem Inneren der Lagerhalle bei Suhl

Das Thüringer Landeskriminalamt hatte die Gemeinde vor dem Kauf des Hauses in Kloster Veßra gewarnt. Während der Kauf des „Goldenen Löwen“ bereits in Sack und Tüten war, ging die Immobilienwerbung in Frencks Freundeskreis weiter. So stellte er am 30. Dezember 2014 einen „Historischen Landgasthof Osterburg Henfstädt“ vor und verwies auf die gehörige Anzeige auf immowelt.de. Im letzten Jahr fanden bereits mehrere Musik-Veranstaltungen des „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ statt, so behauptete Frenck beispielsweise, dass am 11. Januar 2014 eine „erste RAC-Disco“ in Hildburghausen mit bis 200 Teilnehmern stattgefunden hätte.  Solche Discos sollen sich dann wiederholt haben. Am 23. August 2014 kamen außerdem 320 Neonazis einer von Patrick Schröder und Tommy Frenck organisierten Kundgebung mit Musik und Szenebands sammen. Inzwischen steht der Gruppe auch eine weitere Immobilie zur Verfügung, bei der es sich wohl um eine Art Lagerhalle am Rande von Suhl handelt. Dort sollen am 12. Dezember bei einer „BZH Weihnachtsfeier“ die Band „Treueorden“, am 16. Dezember 2014 der Neonazi-Popstar Lunikoff (Michael Regener) und am 24. Januar 2014 mehrere Bands vor 100 Teilnehmern unter dem Motto “ „say it loud, say it clear – refugees not welcome here“ aufgetreten sein. Für den 7. Februar 2014 wird nach dem Neonazi-Aufmarsch in Weimar ein Konzert in „Mitteldeutschland“ angekündigt. Auftreten sollen neben der Sonneberger Band „Unbeliebte Jungs“ und der Apoldaer Band „12 Golden Years“ auch erneut „TreueOrden“ aus der Schweiz sowie „Exzess“ und „Nahkampf“. Ob die Neonazis hierbei auf einer der Immobilien im Kreis Hildburghausen, in Suhl oder in Kirchheim zurück greifen oder die Veranstaltung anderswo stattfindet, bleibt abzuwarten.